Edingen-Neckarhausen. "Ich verspreche Ihnen: So etwas haben Sie hier noch nie gesehen." Mit dieser unbescheidenen Ansage kündigte Josef Stein jr., Ehrenvorsitzender des Männergesangvereins Neckarhausen, das Theaterstück "Tatort Villa Bock" der Laientheatergruppe des Vereins an.
Nun verdunkelte sich der Saal, und der Vorhang öffnete sich zu der pointenreichen Komödie von Daniel Kaiser mit aberwitzigen Wirrungen, falschen Identitäten und einer Anhäufung ständig verschwindender und wieder auftauchender Leichen. Dass diese sich zudem als höchst lebendig erweisen, macht die Sache für den armen Hugo Bock (René Zieher) auch nicht leichter.
Doch der Reihe nach: Bock, seines Zeichens Krimi-Autor, sitzt in der Tinte. Er ist wegen einer vergangenen außerehelichen Affäre mit Amanda ins Visier eines Erpressers geraten. Was also tun? Polizei rufen oder die Dinge selbst in die Hand nehmen? Da der Erpresser noch in dieser Nacht das Geld holen will, entschließt sich Bock dazu, den Erpresser selbst zur Strecke zu bringen. Das "Drehbuch" zu seinem Vorhaben hat der Autor als Buchmanuskript getarnt.
Dies zeigt er seinem Freund Karl (Josef Stein), um dessen Meinung zu hören. Dieser empfindet den Plot als ebenso wirr wie abwegig - nicht ahnend, dass er selbst zur Strecke gebracht wird. Diese legt der nach Mord dürstende Hugo mehr oder weniger unabsichtlich beim Üben der einzelnen Szenarien an, wobei die Opfer zwecks späterer "Entsorgung" in den umstehenden Möbelstücken zwischengelagert werden. Hausmädchen Marie (großartig: Ulrike Nothof) kommt bei den Schießübungen zunächst mit dem Schrecken davon. Als Gelegenheitslektorin von Bock ist sie begeistert von der Story und hält das nunmehr ausbrechende Chaos für ein Spiel.
Weniger Glück hat Schwiegermutter Rösli (Renate Stein), die der Pistole schwingende Hugo schon bei der Begrüßung per Schock "erlegt". Langsam verliert der arme Hugo die Kontrolle, wozu nicht nur der ständig anwachsende Personalbestand in seinem trauten Heim beiträgt. Denn nun dringt auch noch ein gesuchter Ausbrecher samt Komplizin (Mark Bräunling und Katrin Brohm) in die Villa ein und befördert Hugos Freund Karl, der sich um die Schwiegermutter kümmert, zunächst ins Land der Träume und dann samt Rösli in den Kleiderschrank. Allerdings landen auch die beiden ungebetenen Gäste in einem Holzmöbel - versehentlich vom Hausherrn per Stoß mit der Tür niedergestreckt. Dahin gerafft und zwischengelagert werden auch Hugos Ex-Geliebte Amanda (Ulla Köhler) und der amerikanische Filmproduzent Charly Miller (Rudi Klemm), den Hugo für den Erpresser hält.
Nun ist auch noch Polizistin Fränzi Schnapp (Ursel Junk) aufgetaucht, die auf der Suche nach den Ausbrechern ist. Sie sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht und hält die beiden Gangster, die mittlerweile wieder zu sich gekommen sind, in vorauseilender Beschränktheit für das Ehepaar Bock. Beseelt vom Wunsch nach einem Autogramm schickt die Polizistin die beiden versehentlich ins Land der Träume. Hausmädchen Marie findet die beiden und versteckt sie aus "Spaß am Spiel" im Schrank. Nun aber winkt die Entwirrung des Tohuwabohus, denn Polizeiinspektor Marcel Fass (Roland Kettner) erscheint am nächsten Morgen am Ort des Geschehens. Dort ist der Hausherr gerade auf der Couch erwacht und kämpft im Reigen der nun nach und nach aus Schrank und Truhe auftauchenden Gestalten um Aufklärung und seine Identität. Schließlich entpuppt sich der "Kommissar" als der Erpresser und bringt mit seiner Pistole alle in seine Gewalt. Die Rettung erscheint in Form von Marie, die den Erpresser mit einem gezielten Schlag ausschaltet.
"’Tatort Villa Bock’ - das ist ein Blockbuster", jubiliert schließlich die immer noch von einem Spiel überzeugte Marie. Wie wahr, denn auch die Vorstellung am Sonntag war bis auf den letzten Platz gefüllt. Und Josef Stein hatte mit seiner Einschätzung des unter der Regie von Mari-anne Rosenzweig und allen Schauspielern erarbeiteten Stückes (Souffleuse: Simone Mülbert) völlig Recht.
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Der zeitgenössische Autor und Regisseur Daniel Kaiser aus der Schweiz ist im deutschsprachigen Raum als Allround-Theaterautor bekannt. Er schreibt Stücke vom Bauerntheater über Kriminallustspiele bis zu Science-Fiction-Komödien für Berufsbühnen
Zum Inhalt:Um einer Erpressung zu entkommen gibt es genau zwei Möglichkeiten: Man geht entweder zur Polizei und zeigt die Erpressung an, oder aber man nimmt die Angelegenheit in die eigenen Hände. Sollte man sich für letztere Option entschieden haben, sind drei Dinge unbedingt notwendig: eine Schusswaffe, ein leeres Haus und vor allem ein funktionierender Plan. Einen solchen Plan zu erdenken und zu dokumentieren ist ein Leichtes für einen Kriminalschriftsteller wie Hugo Bock. Jedoch ist die Ausführung das genaue Gegenteil von leicht. Laut Plan nämlich müsste genau heute (oder „an einem“) Abend die Villa Bock, bis auf Hugo, menschenleer und damit ideal vorbereitet sein um die „Angelegenheit“ in die „eigenen Hände zu nehmen“. Stattdessen füllt sich das Haus mit völlig außerplanmäßig aufkreuzenden Verwandten, Freunden, Feinden, Geliebten, Fremden und Möbelstücken. Der anfangs so geniale Plan von Hugo Bock geht also, vereinfacht gesagt, nicht ganz auf. Und „nicht ganz“ aufgehende Pläne zu beobachten führen beim Publikum so gut wie immer zu allerhöchstem Vergnügen. Und das garantiere die Stockhäuser Truppe schon seit vielen Jahren, erwähnt Frank Lang; nicht umsonst erfreuten sich die Stockhäuser einer ständig wachsenden überregionalen Beliebtheit. Die authentische wie gekonnt komödiantische Spielweise, gepaart mit einem beeindruckenden und authentischen Bühnenbild, garantiere jede Saison erneut ein Abtauchen in eine andere Welt, in der man von Herzen lachen und staunen kann.